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(Keine) Experimente in den Digital Humanities?
Virtuelle round table-Diskussion
Zeitplan
- Anmoderation (5 Min.)
- Einführender Vortrag (40 Min.)
- round table-Diskussion (1 Stunde)
- Vorstellung der round table-Idee (jede/r ist angehalten den entworfenen Experiment- (und/oder) Laborbegriff
auf seine Arbeitskontexte und -projekte zu beziehen) (3 Min.)
- Beispielhafter Bezug des Experimentbegriffs auf ausgesuchte Projekte (7 Min.)
- Offene Diskussionsrunde (insg. ca. 1 Stunde)
- Wrap-up, Zusammenfassung und Abmoderation (5 Min.)
01
Einstieg
02
Einführender Vortrag
Inhaltlicher Überblick
- Einführung
- Geistes-/Kulturwissenschaften und Naturwissenschaften – Konvergenz im digitalen Raum
- Den Geist und die Kultur verstehen/Die Natur erklären
- Begriff Experiment
- Begriff Labor
- Verwendung in den DH – Experiment und Labor
- Keine Verwendung in den DH – Experiment III
- Fazit
- Vorschlag: Experimentbegriff
Einführung I
Book of Abstracts DHd
- strikter, naturwissenschaftlicher Experimentbegriff
- weicher Experimentbegriff im Sinne von „Versuch, versuchen, testen, ausprobieren”
Einführung II
Handbücher/Systematik zur wissenschaftlichen Praxis/Methodik
- TaDiRAH ➞ kein Eintrag zu „experiment“ oder „experimentation“, aber
- Handbuch zur Praxis des kulturwissenschaftlichen Arbeitens kennt „experimentieren“ und „Laboratorium“
- Weiter Nachschlagewerke mit definierenden oder begriffshistorischen Einträgen zu „Experiment“, „Experimentell“:
- Handwörterbuch Philosophie
- Reallexikon der deutschen Literaturwissenschaft,
- Metzler Lexikon Kultur der Gegenwart,
- Europäische Enzyklopädie zu Philosophie und Wissenschaft,
- Enzyklopädie der Neuzeit (auch „Laboratorium“)
Übergangsfrage
Welche Entwicklungen machen es heute besonders interessant, experimentelle Praktiken für die GW/KW zu adaptieren?
(Ob diese sich explizit als Digital Humanities verstehen oder nicht.)
Geistes-/Kulturwissenschaften und Naturwissenschaften – Konvergenz im digitalen Raum
- „Verdatung“ geistes- und kulturwissenschaftlicher Forschungsmaterialien und Ergebnisse
- Forschung an digitalen Objekten bzw. digitalen Repräsentationen
- Notwendigkeit digitaler Quellenkritik bzw. kritische Reflexion des digitalen Forschungsgegenstands
erfordert technische Kenntnisse
- Transfer von Art der Thesenbildung über Gliederung und Aufbau und Zitationsweise bis hin zur
benutzten Textverarbeitung von wissenschaftlichen papers
- Besonders deutlich in der (Computer-)Linguistik sichtbar, die hier für die GW/KW als Pioniere auftraten
Den Geist und die Kultur verstehen/Die Natur erklären
- Natur Phänomene der Natur sind der menschlichen Existenz von Beginn an vorgegeben und in ihren Gesetzmäßigkeiten unveränderlich
(Naturkonstanten und Gesetze). Sollen als externe Begebenheiten erklärt werden.
- Geist:
- Subjektiv innere Verfasstheit, nur dem Individuum zugänglich
- Objekt kulturelle und geistige Erzeugnisse zwar vom Menschen gemacht, aber dem Individuum dennoch vorgegeben,
unterliegen Gesetzmäßigkeiten, die historische veränderlich sind, aber temporär stabil (Sprachen, Gesellschaftsordnungen,
Rechtssysteme). Sollen als intentional (Verhalten- und Handlungsphänomene) erzeugte Begebenheiten verstanden werden.
⇒ Dualismus von verstehen/erklären nicht unproblematisch
Übergangsfrage
Experimente in den GW/KW ja oder nein? Antworten hängen an der Frage: Können Experimente zum geistes-
und kulturwissenschaftlichen Verstehen beitragen? Oder anders gesagt, sind Hermeneutik und Experiment miteinander vereinbar?
Begriff Experiment
- Experiment von lat. experimentum (Versuch, Probe)
- Bereits in Antike und Mittelalter durchgeführt, doch erst mit dem Empirismus des 17.
Jahrhunderts zur systematischen wissenschaftlichen Methode zur Überprüfung von Theorien entwickelt.
- Standardisierung und Aufnahme in naturwissenschaftlicher Curricula im 19. Jahrhundert
- In den 1980er Jahren vom new experimentalism initiert: Betonung der Eigenständigkeit des Experimentierprozesses neben der Theoriebildung.
Ohne eine spezifische Definition bedienen sich Teilbereiche der historischen Kulturwissenschaften erfolgreich wissenschaftlicher
experimenteller Praktiken. Kunst- und kulturgeschichtliche Adaptionen verzichten zumeist auf den wissenschaftlichen Aspekt des Experimentierens
und gebrauchen den Begriff eher metaphorisch (Berg 2013, S. 141)
Thesen
- Experimente werden zwar vorwiegend in naturwissenschaftlichen Fächer bzw. Erfahrungswissenschaften als wissenschaftlichen Methode durchgeführt,
aber keineswegs ausschließlich. Auch die Geschichts- und Sprachwissenschaften setzen Experimente ein. Dies geschah bereits bevor Digital Humanities
zu einer Disziplin(, einer Schnittmenge, Brücke und/oder einem Hype) wurde.
- Die Verwendung von verschiedenen, nicht immer klar definierten Experimentbegriffen zur Beschreibung wissenschaftlicher Praktiken in den GW/KW ist
bereits vielfach in Forschungsbeiträgen benannt und kritisiert worden
Begriff Labor
- Labor bzw. Laboratorium von lat. laborare („arbeiten“)
- Bereits im Mittelalter als laboratorium unspefizisch für „Arbeit, Tätigkeit“
verwendet, ab dem späten 16. Jahrhundert, bezeichnet er die Arbeitsräume von Alchemisten, Apothekern und Metallurgen
- exemplarischer Ort der Moderne, den größten Teil seiner Geschichte bezeichnete er geschlossene und klar verortbare Räume oder Gebäude.
- Heute nicht mehr nur Arbeitraum für Chemiker, Physiker und Biologen, sondern zunehmend auch für Psychologen, Archäologen und Sprachwissenschaftler.
- Ort der Verdichtung einer sich als fortschrittliche verstehenden Gesellschaft, sowohl im Hinblick auf die Produktion als auch die
Repräsentation (als Veröffentlichung) von Neuem.
Thesen
- Routinisierung von Arbeitsabläufen steht in einem Spannungsfeld „zur Offenheit für das Unerwartete“,
da der moderne wissenschaftliche Prozess stets Neues und Unerwartetes hervorbringen kann, dass Brüche im
Denken und Handeln der Forschenden erzeugt.
- Größe und Anzahl von Laboren als Arbeitsräumen seit dem 17. Jahrhundert massiv gewachsen; Expansion des Begriffs
in zwei andere, nicht immer trennscharfe Bereiche von Interesse:
- in den virtuellen Raum (meint Forschungssoftware wie das TextGridLab oder etwas allgemeiner: den Gedanken der virtuellen Forschungsumgebung).
- als Vereinigung mehrerer räumlich getrennter Labore zu einem am selben Experiment oder Projekt arbeitenden Forschungsraum.
Verwendung in den DH – Experiment und Labor I
- Experiment I: Hypothesenbildung und genau Definition von Faktoren und Variablen des Untersuchungsfelds,
Beschreibung bzw. Aufbau der benötigten Instrumente,
Durchführung und Ergebnisdokumentation zur Gewährleistung von Reproduzierbarkeit und Überprüfbarkeit.
- Labor I: als Installation oder Zusammenstellung von Instrumenten zur Bestimmung, Kontrolle und Messung von Variablen,
die zusammen geeignet sind, eine Hypothese durch ein
an ihnen durchgeführtes Experiment potentiell zu falsifizieren, wobei sowohl der Gegenstand der Untersuchung als auch die Installation materiell wie
digital sein kann.
Verwendung in den DH – Experiment und Labor II
- Experiment II: „versuchen, testen, ausprobieren, herumexperimentieren“
- propädeutischen Ansatz: Verfahren oder ein Gegenstand für wissenschaftliche Untersuchung geeignet?
- bewusste Entscheidung zum „Herumexperimentieren“ ermöglicht Einbettung in einen Rahmen zur methodischen
Suche einer geeigneten Umgebung zur Beantwortung der (fach-)eigenen Forschungsfragen
- Gefahr der Beliebigkeit besteht, dass infolge der Unschärfe jede Argumentation, jedes Szenario als Experiment bezeichnet werden kann
- Labor II: viele Installationen oder Umgebung möglich; so kann kombiniert mit Experiment II zunächste die grundsätzliche
Tauglichkeit des Labors für die Beantwortung der eigenen Forschungsfragen spielerisch und ohne streng wissenschaftlichen Anspruch getestet werden.
⇒ Der Fragen nachgehen, ob es überhaupt möglich ist, Forschungsfragen eines Gegenstands oder Forschungsgebiets mit den (ggfs. neu) vorgeschlagenen
Mitteln zu behandeln, wozu die zugehörigen Parameter bewusst weich und in ihrer Anzahl erweiterbar definiert werden.
Verwendung in den DH – Experiment und Labor III
- Experiment III: „erkundend, probierend, ungewohnt vorgehen“, erscheint zunächst Experiment II zu entsprechen, ist
aber ohne Anspruch auf wissenschaftliche Methodik,
- Metapher
- hebt schöpferisch-künstlerische Aspekte hervor
- in diesem Sinne von Literatur und Kunstwissenschaft als Zuschreibung für ein untersuchtes Objekt verwendet
(das von seiner Genese her als experimentell begriffen wird), aber in der Regel nicht als Praktik der wissenschaftlichen Analyse.
Fazit
- Mit Experiment I und II wurden zwei in den DH praktische Verwendung findende Experimentbegriffe vorgestellt, wobei ersterer im Wesentlichen dem
naturwissenschaftlichen Experimentbegriff zu entsprechen scheint, Experiment II dagegen setzt zwar auch bei diesem Rahmen an, lässt jedoch mehr
Unsicherheit und Unbestimmtheit zu und führt damit Kernelemente des naturwissenschaftlichen Experiments ad absurdum.
- Die DH können mit Veranstaltungen wie dieser vor allem einen Beitrag zur Stärkung des Experiment-II-Begriffs leisten. So könnte man sich für die
Aufnahme von „experimentation“ unter die „Research Techniques“ von TaDiRAH bemühen.
- Die Extension des moderne Laborbegriff umfasst heute Dezentralität, Enträumlichung und disziplinäre Ausweitung über die klassischen
Experimentwissenschaften hinaus. Globalisierung, Digitalisierung und transdiszplinäre Interessen sind wesentliche Faktoren für diesen Erweiterung.
- Da der Anspruch, digitale Methoden und Materialien zu entwickeln und zu verwenden oder auch Methoden und Materialien zu digitalisieren, für
alle unter dem Begriff „Digital Humanities“ subsumierten Disziplinen geltend gemacht werden kann, können die auch global und transdisziplinär
agierenden DH eine Mitwirkung am Wandel des Laborbegriffs beanspruchen.
Vorschlag: Experimentbegriff
- Sofern „Experiment“ als eine fachspezifisch definierte wissenschaftliche Verfahrensweise von nicht nur propädeutischem Charakter in den DH Anwendung
finden soll, haben wir einige Charakteristika gesammelt, die wir als essentiell erachten:
- Reduktion von zumeist komplexen geistes- und kulturwissenschaftlichen Untersuchungsgegenständen auf im Rahmen des Experiments mess- bzw.
kontrollierbare Variablen
- Kenntnis der (im Untersuchungszusammen als relevant angenommenen) Variablen
- Isolierbarkeit der zu beobachtenden Variable von den anderen Variablen des Experiments
- Reproduzierbarkeit
- Falsifizierbarkeit
- Davon ausgehend, dass ein DH-Experiment im digitalen Arbeitsraum angesiedelt ist, wären zuvor auch noch die beiden folgenden Schritte zu leisten:
- Formalisierung
- Operationalisierung
- Als Durchführungsort des digitalen Experiments („Labor“) wären zumindest Forschungsdaten, Betriebssystem und verwendete Software, deren Parameter
und – je nach Experiment – auch Hardwarekomponente genau zu dokumentieren.
Literatur
- Aydelotte, William O.: Quantification in History. Reading (Massachusetts) 1971.
- Book of Abstracts DHd 2018, 2019 und 2020
- Berg, Gundhild: Experimentieren, in: Frietsch, Ute / Rogge, Jörg (Hrsg.): Über die Praxis des kulturwissenschaftlichen Arbeitens.
Ein Handwörterbuch. Bielefeld 2013 (= Mainzer Historische Kulturwissenschaften), S. 140–144.
- Bölsche, Wilhelm: Die naturwissenschaftlichen Grundlagen der Poesie. Prolegomena einer realistischen Aesthetik. Leipzig 1887.
- Daiber, Jürgen: Experimentalphysik des Geistes - Novalis und das romantische Experiment. Göttingen 2001.
- Gethmann, Carl Friedrich: Der Geist der Geisteswissenschaften zwischen Naturalismus und Mentalismus, in: Joas, Hans / Noller, Jörg (Hrsg.):
Geisteswissenschaft – was bleibt? Zwischen Theorie, Tradition und Transformation. Freiburg/München 2019 (= Geist und Geisteswissenschaften 5).
- Lehmbrock, Verena: Laboratorium, in: Frietsch, Ute / Rogge, Jörg (Hrsg.): Über die Praxis des kulturwissenschaftlichen Arbeitens.
Ein Handwörterbuch. Bielefeld 2013 (= Mainzer Historische Kulturwissenschaften), S. 245–249.
- Popper, Karl: Logik der Forschung. Tübingen, 11. Auflage, 2005.
- Rickert, Heinrich: Texte zur Praktischen Philosophie. Rickert. Ausgewählt und eingeleitet von Stephan Schallon. London 2009
(= Grundtexte der Praktischen Philosophie 2).
- Sahle, Patrick: Digital Humanities? Gibt’s doch gar nicht!. In: Grenzen und Möglichkeiten der Digital Humanities. Hg. von Constanze Baum /
Thomas Stäcker. 2015 (= Sonderband der Zeitschrift für digitale Geisteswissenschaften, 1). text/html Format. DOI: 10.17175/sb001_004 .
- Schmidgen, Henning: Labor, in: Europäische Geschichte Online (EGO), hg. vom Institut für Europäische Geschichte (IEG), Mainz 2011-01-03.
URL: http://www.ieg-ego.eu/schmidgenh-2011-de URN: urn:nbn:de:0159-20101025256 [2021-03-05].
- Wiesen, Brigitte: Experiment, in: Rehfus, Wulff D. (Hrsg.): Handwörterbuch Philosophie. Göttingen 2003, S. 351.
Vielen Dank für die Aufmerksamkeit!
Kurze Pause, dann geht es weiter mit der round table-Diskussion.
03
round table-Diskussion
round table-Diskussion I: Impuls
Projekte Akademie der Wissenschaften und der Literatur | Mainz
round table-Diskussion II: freie Diskussion
- Runde Teilnehmende: Experimentbegriff
- round table-Diskussion
04
Abschluss
Abschluss
- Zusammenfassung Diskussion → Anpassung “Experimentbegriff”
- Dringende Fragen?
- Kontaktmöglichkeiten: